Komplettbearbeitung in einer Aufspannung auf einer Vertikaldrehmaschine - ohne zusätzliche lineare Y-Achse? Es klingt schon etwas nach Zauberei, wenn Experten der Starrag berichten, wie sie mit Doppel-C-Achsen-Interpolation eine Dörries-Vertikaldrehmaschine in ein Bearbeitungszentrum verwandeln.
„Die Idee zur Simulation einer Y-Achse entstand bereits vor Jahren in unserer Anwendungstechnik“, erklärt Dr.-Ing. Marcus Queins, Technischer Leiter der Starrag Technology GmbH aus Mönchengladbach. „Verwirklicht haben wir es jetzt bei der Abwicklung eines Projektes für einen Kunden aus der Windenergiebranche (Getriebehersteller).“
Elektronisch geregeltes Zusammenspiel
Üblicherweise orientieren sich bei einer Drehmaschine alle Bearbeitungsvorgänge auf die Drehmitte; zum Einsatz kommen nur zwei Zustellachsen, die X- und Z-Achse. Wer zusätzlich in Y-Richtung zerspanen will, benötigt in der Regel eine zusätzliche dritte lineare Achse, die Y-Achse. Die Alternative dazu besteht darin, zwei C-Achsen synchronisiert zueinander zu drehen. Das gelingt dank elektronisch geregeltem Zusammenspiel des Rundtischs (C-Achse) mit einer achsparallelen CY-Achse (Winkelkopf mit einer um die Z-Achse drehenden NC-Achse).
Hier kommt die Doppel-C-Achsen-Interpolation ins Spiel. Mit ihr lässt sich mithilfe simultaner Interpolation der C-Achse des Rundtisches und der CY-Achse eine lineare Y-Achse realisieren. Es ist zwar keine Quadratur des Kreises, aber die Methode klingt schon etwas nach mathematischer Zauberei. Dr. Queins: „Das intelligente Zusammenspiel von C- und CY-Achse verwandelt zwei Kreisbewegungen in eine Linearbewegung. In Verbindung mit der X- und Z-Achse lässt sich so zum Beispiel eine seitliche Fläche an einem Werkstück dank 4-Achsen-Interpolation aussermittig fräsen.“
Stets korrekt auf das Werkstück ausgerichtet
Die simulierte Y-Achse eröffnet dem Produktioner eine Vielzahl von Möglichkeiten. Plötzlich kann er mit seiner Dörries-Vertikaldrehmaschine auch Bohren und Gewinde schneiden, die nicht zur Tischmitte zeigen. Möglich ist aber auch die Bearbeitung von Nuten mit achsparallelen, aussermittig liegenden Seitenflächen. Doch alle neuen aussermittigen Zerspanungsvorgänge besitzen einen gemeinsamen Nenner. Dr. Queins: „Die koordinierten Drehbewegungen der beiden Rundachsen C und CY stellen sicher, dass das Werkzeug immer korrekt auf das Werkstück ausgerichtet ist.“
Nicht nur diese technischen Aspekte, sondern auch weitere Pluspunkte sprechen für die simulierte Y-Achse: Die Vorteile analysierten die Mönchengladbacher an zwei typischen Vertikaldrehmaschinen des Typs VCE 2800 und VC 3500 mit einem Umlaufdurchmesser von 2.800 mm bzw. 3.500 mm. „Die Investition fällt im Vergleich zu einer Maschine mit zusätzlicher linearer Y-Achse rund 30 % günstiger aus“, fasst Verkaufsleiter Hubert Erz zusammen. „Diese Einsparung nimmt mit der Grösse der Maschine zu, weil dann der technische Aufwand für die zusätzliche lineare Achse steigt.“